Polen nach den Wahlen... in der Erwartung einer neuen Regierung

Der 15. Oktober 2023 kann in Polen als der größte patriotische Freiheitsaufschwung seit der Solidarnosc und den Wahlen von 1989 bezeichnet werden, als die Wahlbeteiligung 62,7 Prozent betrug. Die Zahlen der staatlichen Wahlkommission zeigen, dass die Wahlbeteiligung bei den diesjährigen Parlamentswahlen bei über 74,38 Prozent lag. Einige Wähler standen bis nach Mitternacht in Schlangen. Freiwillige Helfer verteilten warme Getränke an die Wartenden, da die Temperatur in der Nacht auf null Grad fiel. Eine Pizzeria im Breslauer Stadtteil Jagodno versorgte die Wartenden vor dem Wahllokal, in dem am 16. Oktober um 3 Uhr morgens die letzte Stimme abgegeben wurde, mit Gratispizza. Am Tag nach der Wahl erhielt der Besitzer der Pizzeria Mania Smaku als symbolische Geste des Dankes Bestellungen aus ganz Polen und dem Ausland.  Er nannte seine neue "Wahlpizza" in Erinnerung an die Einsatzbereitschaft, mit der die Polen gewählt haben, Jagodność.  
In Deutschland gaben 101 541 Polen in 47 Wahllokalen ihre Stimme ab. Im Vorfeld der Wahlen in Polen gab es eine Debatte darüber, ob Polen im Ausland an den Parlamentswahlen teilnehmen sollten. Die doppelte Wahlbeteiligung der Polen am 15. Oktober 2023 sowohl im Ausland als auch in Deutschland hat gezeigt, wie sehr sich die im Ausland lebenden Polen mit ihrem Land verbunden fühlen und wie wichtig ihnen das Schicksal ihres Heimatlandes ist.

13. November 2023 - erste Sitzung des neu konstituierten Sejm 

Obwohl Recht und Gerechtigkeit (PIS) bei den Wahlen im Oktober 35,38 % der Stimmen erhielten und Koalicja obywatelska (die Bürgerliche Koalition) 30,70 %, ist die PIS nicht in der Lage, allein zu regieren. Sie müsste eine Mehrheitsregierung bilden, indem sie sich mit einer Partei zusammenschließt, die ähnliche politische Ansichten vertritt. Die der PIS am nächsten stehende rechtsgerichtete Partei ist  Konfederacja Wolność i Niepodległość (Bündnis für Freiheit und Unabhängigkeit), die jedoch nur 7,16 % erhielt. Mit einer so geringen Anzahl von Stimmen für Konfederacja ist PIS auch nicht in der Lage, eine neue Regierung zu bilden. Praktisch kann eine Mehrheitsregierung in dieser Situation nur durch eine Koalition linker Parteien gebildet werden, die aus Koalicja Obywatelska mit 30,70 % der Stimmen, Trzecia Droga Polska 2050 Szymona Hołowni - Polskie Stronnictwo Ludowe (Szymon Holownias Dritter Weg Polen 2050 - Polnische Volkspartei) mit 14,40 % der Stimmen und Nowa Lewica  (Neuen Linken) mit 8,61 % der Stimmen besteht.
Am 17. Oktober gab die staatliche Wahlkommission die offiziellen Wahlergebnisse bekannt und präsentierte die Verteilung der Sitze im polnischen Sejmt: PIS - 194 Sitze, KO - 157 Sitze, Trzecia Droga - 65 Sitze, Nowa Lewica - 26 Sitze und Konfederacja - 18 Sitze. Das bedeutet, dass die demokratische Opposition, die als Koalition der linken Parteien bezeichnet wird, mit 248 Sitzen im Sejm rechnen kann, während die PIS, selbst wenn sie mit der Konfederacja fusionieren würde, über 30 Sitze weniger hätte. 
Die Wahlbeteiligung von Frauen und jungen Wählern ist bei den Parlamentswahlen 2023 deutlich gestiegen. Sowohl Frauen als auch junge Menschen setzten hauptsächlich auf Koalicja Obywatelska und Lewica.

Die Unterstützung für PIS nahm proportional zum Alter der Wähler zu, wobei die Altersgruppe der über 60-Jährigen bei den diesjährigen Wahlen die wenigsten Stimmen abgab. Dies deutet auf einen bevorstehenden Generationswechsel in Polen und die aktive Beteiligung junger Frauen an der politischen Zukunft unseres Landes hin. 
Derweil wird in Polen mit großer Spannung die Ernennung eines neuen Premierministers durch den Präsidenten erwartet. Bislang hat Präsident Andrzej Duda angekündigt, dass es zwei Kandidaten für dieses Amt gibt: Mateusz Morawiecki von der PIS und Donald Tusk von der vereinigten demokratischen Opposition, d. h. Koalicja Obywatelska, Trzecia droga i Lewica. Die erste Sitzung des neuen Sejm ist für den 13. November angekündigt. Politische Beobachter gehen davon aus, dass Präsident Duda nach der ersten Abstimmung des Sejm, in der ein neuer Sejmmarschall gewählt wird, den Ministerpräsidenten in Abhängigkeit von der Parteizugehörigkeit des Sejmmarschall bekannt geben wird. 

Das Beispiel der geplanten Diskussion von Marek Fiałek mit Kai-Olaf Lang am 28. November in Ramin zeigt, dass die Polen in Deutschland ein aktives Interesse an der Zukunft Polens haben.
In Polen finden derzeit intensive Koalitionsgespräche statt, wobei die demokratische Opposition gemeinsam erklärt hat, dass sie nicht mit der PIS fusionieren wird.  Die Medienwelt fragt sich, wie es mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender TVP weitergeht, der bisher einseitig die rechte PIS-Partei unterstützt hat. Der Wahlentscheid in Polen und der anschließende Regierungswechsel sind für die gesamte Welt- und Europapolitik von großer Bedeutung. Es ist besonders wichtig für die gutnachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Polen und Deutschland, die in letzter Zeit durch die Angriffe der polnischen Regierung auf die Reparationszahlungen belastet waren.

 Agata Lewandowski  

Quelle: https://pkw.gov.pl/