Wie ein Feldwebel brachte den Hl. Adalbert in Sicherheit

In Polen wird Urban Thelen für die Rettung der Reliquien des Volksheiligen Adalbert geehrt. In Kreuzau-Winden erinnert nur noch das Grab an den Deutschen, der im Krieg unter Einsatz seines Lebens diesen Gottesdienst tat.

Frisch abgedreht ist ein Dokumentar-Film, der Urban Thelen ein Denkmal setzen wird. Wladyslaw Pisarek strahlt. Die Freude des Vorsitzenden des Bundes der Polen in Deutschland und Vorsitzenden der polnischen Gemeinde in Kleve teilt sich unverholen mit: Seinem Freund Urban Thelen, und Pisarek spricht die Worte mit Stolz und Zuneigung aus, wird nun die Öffentlichkeit zuteil, die er nach der tiefen Überzeugung Pisareks verdient: „Urban Thelen ist ein Vorbild für die Versöhnung unserer Länder, dessen Liebe und Glaube stärker war als die Angst um sein Leben.“ Wladyslaw Pisarek ist der Nachlass-Verwalter von Urban Thelen, und damit sind nicht nur irdische Güter gemeint. Der Sohn deutsch-polnischer Eltern trägt Sorge dafür, dass die Erinnerung an den Reliquienretter erhalten bleibt. Urban Thelen selbst hat als 89-Jähriger Pisarek vor laufender Videokamera seine Geschichte erzählt. Und tatsächlich birgt sie alles für einen guten Film: Spannung, Dramatik und ein glückliches Ende. Rückblende. Juli 1941. Die deutsche Wehrmacht hat Polen besetzt. Urban Thelen ist als Feldwebel im Fernmeldeamt von Hohensalza eingesetzt. Der Soldat lernt bald Paul Mattausch kennen, Pfarrer der Kirche vom heiligen Nikolaus in Inowroclaw. Sie werden zu Verbündeten.
Urban nutzte seine Uniform, wohlwissend um die Gefahr
Der Priester sorgt sich um die Kirchenschätze, an denen sich die deutschen Machthaber vergreifen könnten. So macht sich der tiefgläubige Katholik Urban Thelen auf und sammelt im Auftrag des Paters liturgische Gefäße aus den Gotteshäusern zusammen. Damit nicht genug. Familien versorgt Thelen mit Nahrung und fälscht Papiere, als ein junger Priester als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert werden soll. „Urban Thelen nutzte seine Uniform“, erzählt Wladyslaw Pisarek wohlwissend, dass ihm, sollte er entdeckt werden, Konzentrationslager oder Exekution drohen. Schließlich bekommt Feldwebel Thelen seinen wohl gefährlichsten Auftrag: Der Breslauer Metropolit Kardinal Adolf Bertram hatte die Nachricht von der geplanten Zerstörung der Kathedrale zu Gnesen erhalten. Die Zerstörung der Reliquien des heiligen Adalbert und Entweihung des Allerheiligsten Sakraments drohen. Der Gnesener Generalvikar Eduard van Bleriq nimmt Kontakt mit Pater Mattausch auf, der „seinen Soldat“ in Marsch setzt. Mit dem Zug fährt Urban Thelen nach Gnesen und tritt mit dem in Packpapier eingeschlagenen kleinen Reliquien-Schrein wieder die Heimfahrt an. Im Abteil, so hat es der 89-Jährige erzählt, hätte sich niemand neben ihn zu setzen gewagt. „Es war wohl die Aura des Heiligen“, fügt Pisarek lachend ein.
Reliquie überstand Kriegswirren eingemauert im Sakristeiboden
Im Pfarrhaus legt der Retter das Päckchen hinter einen Vorhang, der die Pfarre von den Privaträumen des Pfarrers trennt. Pater Paul Mattausch soll daraufhin gesagt haben: „Und jetzt, heiliger Adalbert, verteidige dich selbst!“ Eine Aufforderung, der der Heilige sofort nachkommt, denn was Urban Thelen nicht weiß: Die Gestapo hat ihn unter Beobachtung. Die Nazis dringen ins Pfarrhaus ein, durchsuchen es – und finden nichts. So soll es bleiben: Das Kriegsende überstehen die Reliquien eingemauert im Fußboden der Kirchensakristei, bis sie 1948 nach Gnesen zurückkehren können. Urban Thelen kehrt zurück nach Kreuzau-Winden und wird Organist in St. Marien Düren. Als Gründungsmitglied gehört er später dem „Freundeskreis Kirchenmusiker im Ruhestand Düren“ an – über seine Rettungaktion dagegen spricht er nicht. Erst 40 Jahre später zum 1000. Geburtstag Otto III. knüpft die Geschichte wieder an, als Urban Thelen mit einer Pilgergruppe nach Gnesen reist. Geboren in Kleve ist Otto der Legende nach barfuß nach Gnesen gepilgert, hat für den Märtyrer Adalbert einen Altar errichtet und die Kirchenprovinz gegründet.
Aus Freundschaft und Gedenken entspringt ein Dokumentarfilm

Von nun an pflegt der Organist von der Rur seine Verbindungen an den Niederrhein – vor allem mit Pfarrer Fritz Leinung. Dieser veranlasst, dass es Urban Thelen ist, der 1992 ein Stück der geretteten Adalbert-Reliquie aus Gnesen zum neuen Altar in St. Mariä Empfängnis Kleve trägt. Bei dieser Zeremonie ist Wladyslaw Pisarek dabei, und erste zarte Bande werden geknüpft, die zur festen Freundschaft wachsen. Pisarek ist es, der mit Erzbischof Henryk Muszynski Kontakt aufnimmt, der seinerseits Urban Thelen 1997 bei der Polenreise Papst Johannes Paul II. vorstellt. Bei seinem Tod 2008 liest der Erzbischof im Gnesener Dom die Messe für Urban Thelen. Im Reliquienschrein vor dem Altar liegen die Gebeine des Hl. Adalbert. Seit Februar 2015 wird nun an einem 60-minütigen Dokumentarfilm gearbeitet. Im Juni war Regisseur Andrezj Machnowski vom polnischen Sender TVP Historia zu Dreharbeiten in Kleve und Kreuzau-Winden. Kontakte zur ARD sind laut Pisarek bereits hergestellt. Im November soll der Film, der von der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit unterstützt wird, in Kleve Premiere feiern.

 Von Dorothée Schenk
Veröffentlicht am 05.08.2015