Das ukrainische "Hamlet Syndrom" - Agata Lewandowski

Das 62. Krakauer Filmfestival eröffnet wurde am 29. Mai im Kino Kijów mit dem Dokumentarfilm "Hamlet Syndrome" des polnischen Regieduos Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski. 

Die Produktion des Films begann im Jahr 2020, als sich fünf Ukrainer der "Generation Majdan" - Katja, Oksana, Rodion, Roman und Slawik - trafen, um ein Theaterstück auf der Grundlage von Shakespeares Drama und ihren Erfahrungen während der ersten russischen Invasion im Donbass zu erarbeiten. Rose Sarkisian aus Charkiw - die Regisseurin des Stücks - wollte auf diese Weise das Porträt einer jungen Generation zeichnen, die durch den Krieg 2014 gezeichnet ist. Keiner der Schauspieler ahnte zu Beginn der Produktion des Films, wie grausam aktuell er am 24. Februar 2022 sein würde. Die Dreharbeiten endeten im Winter 2022, kurz vor Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges. Heute kämpfen die jungen Helden des Films an der Front für die Freiheit der Ukraine. Einer von ihnen hat es geschafft, einen Pass für ein paar Tage zu bekommen, um die polnische Premiere in Krakau zu besuchen.

Am Beispiel des Films "Hamlet Syndrom" wird deutlich, wie sich das Leben in der heutigen Realität mit Theater und Film verschränkt und wie sich Tragödien wie der Krieg nicht mehr nur auf der Bühne abspielen, sondern neben uns. Das „Hamlet Syndrom" spielt zum Teil eine therapeutische Rolle sowohl für die Authoren als auch für das Publikum, indem es unsere Ängste und Zweifel angesichts des Alptraums Krieg aufzeigt. Hamlets "Sein oder nicht sein“ in einer Zeit, in der in Europa Krieg herrscht und täglich unschuldige Menschen sterben, ändert seine Bedeutung. Der Film von Elwira Niewiera und Piotr Rosłowski ist in gewisser Weise ein Psychodrama, das uns helfen kann, uns angesichts der Ohnmacht gegenüber der Grausamkeit oft selbst zu verlieren. Dank des Internets und der Mobiltelefonie wissen wir fast alles über den russisch-ukrainischen Krieg, wir sehen die Helden von Azowstal auf unseren Smartphone- und Computerbildschirmen, aber wir können ihnen nicht helfen. Es stellt sich die Frage, wie man weiterleben kann, um keine Gewissensbisse zu haben. Das „Hamlet Syndrom" hat die Jury und das Publikum des Krakauer Festivals so sehr bewegt, dass es mit dem höchsten Preis des Festivals, dem Goldenen Lajkonik, ausgezeichnet wurde. Im August wird der Film auf dem Filmfestival von Locarno zu sehen sein. Die Filmemacher betonen, dass sie in ständigem Kontakt mit den Protagonisten des Films stehen und Transporte mit medizinischer und militärischer Hilfe in die Ukraine organisieren.

Das „Hamlet Syndrom" ist bereits der dritte gemeinsame Film von Elwira Niewiera und Piotr Rosolowski. Ihre Filmprojekte sind hauptsächlich dem Thema Osteuropa aus westlicher Sicht gewidmet. Sie arbeiteten erstmals bei Bartosz Konopkas Oscar-nominiertem Dokumentarfilm „Rabbit a la Berlin“ zusammen. Im Jahr 2014 drehten sie eine Filmgeschichte über das Leben des Sportministers der nicht anerkannten Republik Abchasien und einer russischen Opernsängerin - "The Domino Effect", die auf internationalen Filmfestivals u. a. in Budapest, der Schweiz, Armenien, Leipzig und Krakau mehrfach ausgezeichnet wurde. Im Jahr 2019 hat ihr Dokumentarfilm "Der Prinz und der Dybbuk" Premiere. "Der Prinz und der Dybbuk" ist eine filmische Reise auf den Spuren von Michal Waszynski, einem polnischen Regisseur aus Kowel, der nach dem Krieg Hollywoodfilme mit Sofia Loren und Claudia Cardinale in den Hauptrollen produzierte.

"Der Prinz und der Dybbuk" erhielt zahlreiche Preise, darunter die Venezia Classici bei den Filmfestspielen von Venedig für den besten Film über das Kino und den Eagle - den polnischen Filmpreis für den besten Dokumentarfilm. Alle Filme des Duos Niewiera & Rosołowski werden in polnisch-deutscher Koproduktion hergestellt. Elwira Niewiera ist die Preisträgerin des Preises des Jungen Deutschen Films 2020.

Agata Lewandowski

"Hamlet Syndrom" - 85 min - Polen/Deutschland 2022

Regie - Elwira Niewiera & Piotr Rosolowski

Kamera - Piotr Rosolowski

Produktion - Magdalena Kamińska, Agata Szymańska

Andreas Banz, Matthias Miegel, Robert Thalheim Kundschafter Filmproduktion